Facility Management: „Riesiges Potenzial vorhanden“

Hier ein paar Sensoren, da eine App fürs Smartphone – und fertig ist das Smart Building! Natürlich nicht. Prof. Uwe Rotermund, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsbüros rotermund.ingenieure, zeigt im Gespräch auf, woran es bei der Vernetzung von Gebäuden mit dem Internet of Things (IoT) oft noch hapert und warum bei Bauherren und Gebäudemanagern ein Umdenken stattfinden muss.

PROFESSOR ROTERMUND, WIE DIGITAL IST DIE BRANCHE DER GEBÄUDEMANAGER?

Verglichen mit anderen Bereichen haben wir bei der Digitalisierung von Gebäuden noch einen enormen Nachholbedarf. Das betrifft selbst rudimentäre Dinge: In neun von zehn Gebäuden fehlt eine Bestandsaufnahme der technischen Ausstattung; die müssen wir vor einer Betriebsorganisation meist selbst initiieren. Das Management der Nutzungsdaten von der Errichtung eines Gebäudes bis zu Nutzung und Betrieb ist ein großes Thema. Es gibt auch einige Technologie-Inseln wie Gebäudeautomation, Computer-Aided Facility Management – also die Bewirtschaftung mithilfe einer Software – oder kaufmännische Systeme. Auch Instandhaltungsplanungssysteme oder Schlüsselmanagement sind vereinzelt vorhanden. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem Klinikum zusammen, das nur im Bereich Gebäudemanagement bis zu 100 verschiedene Systeme betreibt. Ein Data Warehouse, in dem alle Daten aus diesen Systemen zusammenlaufen, findet sich aber selten. Meist stoßen wir in Gebäuden zudem auf eine deutlich verbesserungsfähige Informationstechnologie. Positiv formuliert: Da ist also noch riesiges Potenzial vorhanden.

WIE LÄSST SICH DENN DER DIGITALISIERUNGSGRAD EINES GEBÄUDES ERFASSEN?

Für unseren jährlichen Facility-Management-Benchmarking-Bericht analysieren wir alle möglichen Daten eines Bestandsgebäudes. Wir haben bereits Gebäude mit einer Gesamtfläche von mehr als 100 Millionen Quadratmetern in unserer Datenbank erfasst. Bei Bürogebäuden ist das Ziel der Digitalisierung, nicht nur den Nutzerkomfort zu erhöhen, sondern vor allem auch die Kosten zu senken. Es gibt zum Beispiel eine riesige Spanne der Heizkosten pro Quadratmeter und Jahr von 1,50 bis 15 Euro. Da tritt dann ein wenig das Firmenwagen-Verhalten zutage: Der einzelne Mitarbeiter fühlt sich nicht verantwortlich für den Energieverbrauch in einem Büro.

WIE KÖNNEN GEBÄUDEVERWALTER DA GEGENSTEUERN?

Der Energieverbrauch in Räumen und Fluren lässt sich über die passende Sensorik und Aktorik beeinflussen und teilweise automatisiert steuern: Ist niemand im Meetingraum, regelt das System Heizung und Licht automatisch herunter. Über das Erfassen von Sensordaten hinaus sollte die Vernetzung aber auch die Zentralanlagen beinhalten. Bei heutigen Automationsanlagen in größeren Gebäuden ist in der Regel ein Leitrechner in einer Leitzentrale vorgeschaltet. Die entsprechenden Schnittstellen könnte man über ein Datenmanagementsystem anzapfen. In zwei von drei Gebäuden wird dieses Potenzial aber nicht genutzt. Es gibt zwar eine Datenhistorie inklusive Trendaufzeichnung, aber den Betreibern fehlen Zeit und Personal, das alles auszuwerten. Eine automatische Analyse, die alle Daten permanent auswertet, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Bei einer Elektro-Maximum-Überwachung, die stromintensive Verbraucher bei Maximallast automatisch abschaltet, wäre sogar eine KI hilfreich, um Leistungsspitzen zu vermeiden. Es gibt noch viele weitere Bereiche in denen eine KI sinnvoll wäre – hierbei sollte man sich nicht nur auf energetische Fragen konzentrieren, sondern alle Leistungsbereiche des Gebäudemanagements untersuchen.

WIE LÄSST SICH EIN GEBÄUDE DENN ZU EINEM SMART BUILDING UMRÜSTEN?

Für eine Nachrüstung eines Bestandsgebäudes eignet sich auch Retrofit-Technik, also Geräte, die sich schnell und einfach im ganzen Gebäude installieren lassen. Der richtige Ansatz wäre, von den Schaltschränken für die Klima- und Heizungstechnik bis zur Nutzerschnittstelle zu planen, Automationsgeräte auszutauschen und geeignete, systemkompatible IoT-Sensorik hinzuzufügen. Technologisch ist das mit Retrofit bereits gut umsetzbar, etwa in Bürogebäuden, Labors, Kliniken oder Rechenzentren. Dort ist die Investitionsbereitschaft meist auch höher als bei Wohngebäuden. Die Kosten für den Einsatz von IoT, Sensorik und Konnektivität zur Vernetzung lohnen sich – bezogen auf die Gesamtgebäudekosten – immer. Ich muss es nur strukturiert planen, umsetzen und dann auch einsetzen.

WIE SIEHT ES BEI NEUBAUTEN AUS – KANN MAN HEUTE ÜBERHAUPT NOCH EIN GEBÄUDE PLANEN, OHNE DIE VERNETZUNG GLEICH MITZUDENKEN?

Nein, aber die Aufteilung in der Bauorganisation ist leider oft hinderlich: Da gibt es Architekten, Fachplaner, Projektsteuerer – und jeder hat seine eigenen Vorstellungen und Interessen. Building Information Modeling, also das gemeinsame Planen eines Baus anhand eines 3D-Modells, ist zwar ein guter Ansatz – aber noch denkt jeder in seiner eigenen Schublade. Trotz der 4D – 7D Anwendungen im BIM ist ein ganzheitlicher Ansatz nicht immer feststellbar. Dabei müssten wir lösungsorientiert denken. Ein Beispiel: Für die Gebäudeautomation in einem Smart Building gibt es einen Planer. Der spricht zwar mit dem zukünftigen Betreiber und dem Nutzer. Das erfolgt aber nicht unbedingt integrativ. Dass bei der Planung schon der spätere Betrieb des Gebäudes mitgedacht wird, ist eher die Seltenheit. Da werden dann technische Anlagen mit einer hohen Anzahl von Sensoren und anderen Datenpunkten ausgestattet, aber niemand stellt sich die Frage: Wer betreibt das Gebäude später? Geschieht das in Eigenleistung oder Fremdleistung? Dadurch ergeben sich jeweils andere Ansprüche ans Datenmanagement. Diese Vernetzung der Gewerke findet derzeit noch viel zu selten statt.

WO GEHT DER TREND HIN BEI DER VERNETZUNG IN GEBÄUDEN?

Bei Neugebäuden steht zurzeit die Raumautomation im Vordergrund. Der Nutzer soll zum Beispiel in seinem Smart Home festlegen können, wann sich der Sonnenschutz ausfährt und wie hoch die konstante Temperatur sein soll. Früher hatte nur der Techniker Zugriff auf die Schaltschränke im Keller und konnte diese Systeme steuern. Es ist also eigentlich eine positive Entwicklung, den Nutzer miteinzubeziehen. Was aber fehlt, ist die Verknüpfung dieser neuen Technologien mit der konventionellen Gebäudetechnik in den Zentralen. Da gibt es zwar fernsteuerbare Thermostate in Räumen, aber die sind nicht mit der Heizungsanlage vernetzt. Es gibt einige wenige Leuchtturmprojekte wie den Cube in Berlin oder das Industry Solution Center von Phoenix Contact in Bad Pyrmont. Hier und da stoßen mal der Betreiber, mal der Projektentwickler das Thema an, aber das ist bei Weitem nicht der Standard.

WIE WIRKT SICH DER AKTUELLE NACHHALTIGKEITSTREND AUS?

Bei jedem größeren Bauprojekt spielt Nachhaltigkeit inzwischen eine große Rolle. Die Zertifizierungssysteme in Deutschland haben aber den Nachteil, dass die Kriterien sehr starr sind. Das Punktesystem sollte flexibler auf die Anforderungen reagieren, zum Beispiel im Hinblick auf die Kosten und Digitalisierung. Das Thema Nachhaltigkeit ist natürlich in aller Munde, jeder möchte ein möglichst nachhaltiges Gebäude errichten. Insbesondere während des Betriebs muss ich die Möglichkeiten nutzen, die ich heute schon habe. Wir schreiben planungsbegleitend immer ein Betriebskonzept, das unsere Kunden abarbeiten sollen. Ein solches Konzept gibt es aber zurzeit nur bei ganz wenigen Bauprojekten. Dabei ließe sich gerade dort die Nachhaltigkeit gut einplanen. Bei einer Kälteversorgung gepaart mit einer Photovoltaikanlage für ein Einzelgebäude entfallen 15 Prozent der Kosten bei der Errichtung, 85 Prozent im Betrieb. Da ist der Hebel. Die Entscheidung für ein nachhaltiges Konzept fällt dann, wenn der Bauherr sieht: Da kann ich enorm Kosten sparen.

HAT SICH DAS BERUFSBILD DES FACILITY MANAGERS DURCH DIGITALE TECHNOLOGIEN VERÄNDERT?

Der klassische Gebäudemanager ist ein Generalist: organisieren, Betreibermodelle diskutieren, Betriebskonzepte, Personalführung, Dienstleistersteuerung, Personalbedarfsermittlung, technische Themen ohnehin. Wir müssen auch den Nachwuchs in den Hochschulen qualifizieren. Aber die haben verschiedene Schwerpunkte, technisch oder wirtschaftlich. Facility Management müsste sich in der Hochschulausbildung als eigenes Gewerk deutlich stärker positionieren, durch Spezialisierung im Masterstudiengang etwa. Wir laufen da in ein Personalproblem hinein, allein schon in der Gebäudeautomation, ganz zu schweigen von IoT-Fachleuten. Langfristig brauchen wir hier eine eigene Disziplin: Digitalisierungsstrategie und Planung der IoT-Kommunikation in Gebäuden. Den Architekten, auch den angehenden, geht es oft aber nur um das Errichten von Gebäuden. An den späteren Betrieb denkt fast niemand. Eine Digitalisierungsstrategie für ein Gebäude wäre: Zu Beginn überlegen wir, wie wir das Gebäude digitalisieren können, von der Errichtung bis zum Betrieb. Welche Daten dafür erforderlich sind, und welche Systeme wir dafür brauchen. Das kann nur der einzig richtige Ansatz sein. Zuerst die Prozesse anschauen, dann die Daten, und dann für ein System, bzw. die IT-Systeme einschl. Systemarchitektur entscheiden.

WELCHE TRENDS SEHEN SIE FÜR DIE ZUKUNFT IM GEBÄUDEMANAGEMENT?

Ganz vorne: künstliche Intelligenz. Dabei spielen diese Fragen eine Rolle: Wie kann ich die gewonnenen Daten auswerten, wie gestalte ich ein Gebäude lernfähig? Hinzu kommt die Konnektivität im Gebäude. Hier sollten wir neue Technologien wie NarrowBand IoT oder auch 5G für uns nutzen. Zudem gehört die Systemintegration auf die Agenda: Bau und Betrieb zusammendenken – das ist der Schlüssel. Dafür müssen wir natürlich die Bauherren davon überzeugen, solche smarten Gebäude konsequent zu planen. Und in der Zukunft wird die Integration des Smart Buildings in eine Smart City zum übergreifenden Thema.

Quelle:

https://iot.telekom.com/de/blog/potenzial-im-facility-management